Salz der Erde und Licht der Welt – Predigt am Sonntag Kantate in der ev. Paulusgemeinde in Zehlendorf
Gnade sei mit euch und Friede von dem, der da ist und der da war und der da kommt. Amen.
Liebe Gemeinde,
„Singet dem Herrn ein neues Lied“ so lautet das Motto für den heutigen Sonntag Kantate. Im Kirchenjahr befinden wir uns mit den Geschichten zwischen Ostern und dem Fest von Christi Himmelfahrt. Die Jünger begegneten dem Auferstandenen und machten ihre Erfahrungen mit ihm, die sehr unterschiedlich waren. Und sie bereiteten sich auf die Zeit vor, da Jesus für sie mit ihren Augen nicht mehr sichtbar sein sollte. Was Jesus lehrte sollte nun von ihnen umgesetzt werden. So sagte er ihnen, das Himmelreich, also das Reich Gottes ist mitten unter euch. Man wird es nicht an einem bestimmten Ort festmachen können, aber man wird an dem Leben der einzelnen erkennen, was das Reich Gottes meint. Es wird sich erweisen, in dem wie ihr miteinander umgehen werdet. Gottes Gegenwart ist da, wo Menschen möglicherweise so etwas wie den Himmel auf Erden gestalten, wo sie etwas tun, das zum Wohle aller gedeihen kann. Die Jünger lernten es und nach Rückschlägen und auch Verzweiflung lesen wir von Ereignissen in der Apostelgeschichte, die schon eine sehr besondere Handschrift haben.
Liebe Gemeinde, wir können heute nach vielen Wochen wieder gemeinsam Gottesdienst feiern – zwar unter besonderen Auflagen, aber wir können uns wieder treffen. Und wir bringen unsere Erfahrungen aus den letzten Wochen mit. Und diese sind sehr unterschiedlich. Manche werden in den letzten Wochen kaum Menschen getroffen haben und voller Sehnsucht, die nächsten Begegnungen erwarten. Andere haben in der Abgeschiedenheit die verschiedensten Gefühle durchlebt – wie Angst, Existenznot, Trauer, Verzweiflung, Sorge. Wieder andere fühlen sich in den vielen Rollen, die sie gerade übernehmen müssen in der Familie überfordert – Lehrerin der Kinder, Dauerköchin, Reinigungskraft, Einkäuferin, Unterhalterin. Und dann geht das alles nicht stressfrei und bei manchen auch nicht gewaltfrei über die Bühne. Und dann gibt es auch die, die die Zeit genießen und entspannt in den Tag sehen können egal aus welchem Grund. Die momentane Situation ins wie ein Brennglas, durch das wir unsere Lebensverhältnisse klarer und deutlicher sehen und erleben.
Und dann schauen wir in die Kirchengemeinde. Mit Abstand können wir uns heute wieder treffen. Doch was ist mit all den anderen Menschen, die wir heute nicht sehen? Werden wir wieder ein Gemeindeleben haben, wie wir es gewohnt waren mit den verschiedenen Gruppen, der körperlichen Nähe und den besonderen Aufgaben von seelsorgerlichen Zuwendung? Werden wir das Alte zurück haben wollen oder uns auf neue Wege begeben?
Die Jünger damals lernte Neues, lernten, was es heißt das Reich Gottes mitten in ihrer Gemeinschaft zu leben und zu gestalten. Ja, sie versuchten so etwas wie Salz der Erde und Licht der Welt zu sein. Nehmen wir sie uns heute zum Vorbild, dann sollten wir als erstes auf ihre Zuversicht schauen, aus der sie lebten. So wie wir lebten sie aus der Erfahrung von Ostern: Gottes Gegenwart bleibt bestehen, auch wenn ein Menschen leidet, gequält und in den Tod geht. Gottes Gegenwart bleibt, sie trägt und ermöglicht Neues, wo alles am Ende scheint. Aus diesem Vertrauen heraus fühlten sich die Jünger sicher, wertvoll und geliebt. War ihnen doch deutlich, sie konnten nie tiefer fallen als in Gottes Hand. Egal was geschehen wird, Gottes Gegenwart bleibt. Das hatten sie durch Jesus und die Begegnung mit dem Auferstandenen gelernt.
Liebe Gemeinde, welche unglaubliche Kraft liegt in diesem Vertrauen, in dieser Gewissheit des Herzens. Egal was uns heute geschieht, dürfen wir uns als Geliebte Gottes verstehen und empfinden. Lassen sie diesen Glauben immer wieder in sich lebendig werden, atmen sie ihn ein mit jedem Atemzug, spüren sie ihn mit jedem Schritt, den sie gehen unter ihren Füssen. In unsicheren Zeiten ist es notwendig, dass wir uns selbst und auch gegenseitig immer wieder an den Grund erinnern, aus dem wir leben. Allein Gottes Liebe trägt und hält uns. Stärken sie diese Kraft in sich jeden Tag durch Gebet, Meditation, durch einen Spaziergang in der Natur, durch Telefonate mit anderen Menschen oder Videotreffen. Finden sie ihren Weg, diese Kraft in sich zu einer lebendigen Erfahrung werden zu lassen. Stehen sie der Liebe Gottes nicht im Weg durch sorgenvolle Gedanken und düstere Zukunftsprognosen.
Liebe Gemeinde, in unserem Evangelium steckt auch eine Aufgabe, nämlich Licht der Welt und Salz der Erde zu sein. Mit dem eben Beschriebenen beginnen wir, uns dieser Aufgabe anzunähern. Denn wo ich die Aufmerksamkeit meiner Gedanken und Aktivitäten hinlenke, dort wird auch meine Lebensenergie sein. Sicher werden jetzt einige sagen, aber wir müssen dieses und jenes tun, wir müssen uns um das Geld kümmern, das immer weniger wird, wir müssen Vorsorge treffen. Ja, ja all diese Aufgaben bestehen und sollten auch erledigt werden. Doch wenn wir fragen, was es heißt Licht für die Welt zu sein, dann werden ihre Antworten auf die Probleme andere sein, wenn sie diese aus den Geflecht ihrer eigenen Angst herausfinden oder aus dem Grundvertrauen, von Gott getragen und geliebt zu sein. Darum ist es jetzt sehr wichtig, dass wir darauf achten, welche Fragen wir an die Zukunft stellen. So könnte ich fragen: Wie werden wir diese Katastrophe überleben mit immer weniger werdenden Mitteln? Oder ich könnte fragen: Was können wir jetzt lernen, um eine lebendige Gemeinschaft zu gestalten mit dem, was wir haben? Im Leben werden wir auf unsere Fragen hin Erfahrungen machen, die Antworten auf unsere Fragen sind. Dort, wo unsere Aufmerksamkeit ist, da ist unsere Lebensenergie. Lernen wir es, nützliche Fragen für die Zukunft zu stellen, deren Antworten wir wirklich wissen wollen. Licht der Welt zu sein beginnt nämlich bei unseren Gedanken und unserer eigenen Haltung.
Liebe Gemeinde, die jetzige Zeit hat uns wie durch ein Brennglas ein Intensivlernprogramm ermöglicht, dass wir alle so noch nie erlebt haben. Wenn nun in den nächsten Wochen und Monaten das Leben wieder in Bewegung kommt, dann wäre es schön, wenn wir aus dem Gefühl des Geliebt- und Getragenseins eine Neugierde empfinden könnten auf das, was kommen wird. Beginnen wir uns die Welt auszumalen mit den schönsten Farben. Werden wir realistisch in dem, was wir selber benötigen für unser Leben. Schauen wir auf die anderen um uns herum. Schauen wir auf die Grenzen, die uns trennen und beginnen wir sie zu verschieben mit Fantasie, Fürsorge und Liebe. Wir dürfen zurzeit lernen, dass wir alle zusammengehören und dass die Grenzen, die wir um uns sehen, Flügel bekommen und zu schweben beginnen. Werden wir neugierig auf eine Welt, in der Menschlichkeit und ein gerechtes, gesundes Leben für alle an erster Stelle stehen und Geld ein Tauschmittel ist. Träumen wir uns die Welt, wie wir sie uns wünschen, denn nur wenn wir lebendige Träume haben, nach denen wir uns sehnen, werden wir auch einen Weg finden, sie zu leben. Träume sind keine Schäume, sondern der Beginn unserer Zukunft.
Liebe Gemeinde, wir sind gestartet mit der Frage nach dem Reich Gottes und wir sind angekommen bei unseren Träumen. Ja, ich denke, da gibt es einen engen Zusammenhang. Das Reich Gottes kann nur Wirklichkeit werden, wenn es bei uns beginnt – in unseren Gedanken, in unserem Tun. Also finden wir heraus, was es heißt, Salz der Erde und Licht der Welt zu sein. Es wird sonst keiner für uns machen. Es ist eine gute Zeit, denn wir stehen in einem Wandel kurz vor Himmelfahrt. Eine neue Wirklichkeit beginnt. Gestalten wir sie mitgetragen von der Liebe Gottes, geborgen in seiner Gegenwart. Und Singen wir dem Herrn ein neues Lied – ein wirklich neues.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unseren Herrn. Amen.