Aus Vertrauen Leben
Predigt am 1. Sonntag nach Epiphanias gehalten in der Alten Dorfkirche in Zehlendorf
Lesungen: Jer. 9,22.23 Mt. 3,13-17
Gnade sei mit euch und Friede von dem, der da ist und der da war und der da kommt. Amen.
Liebe Gemeinde,
an diesem Sonntag kommen verschiedene Aspekte zusammen. Der heutige Sonntag ist der erste Sonntag im Kalenderjahr. Und zum Beginn des Kalenderjahres wünschen wir uns alles Gute, geben uns einen bunten Strauß an guten Ideen mit auf den Weg. Möge das Jahr so werden, wie wir es uns erträumen. Mögen die Vorhaben, die wir planen, in Erfüllung gehen. Möge das Leben so werden, wie wir es uns erhoffen und ersehnen. So starten wir in das neue Jahr – erwartungsfroh und voller Hoffnung.
Anders ist es bei Menschen, die in das Jahr starten und wissen, dass es ganz anders werden wird als sie es sich je gedacht haben. Ich denke besonders an Frau Beuster aus unserer Gemeinde, die am Silvestergottesdienst verunglückt ist. Ihr Jahr startete ganz anders, als sie erwartete. Sie musste die Zerbrechlichkeit des menschlichen Lebens spüren. Und uns bleibt nur, in Gedanken und mit Gebeten sie zu begleiten. Möge Gott tun, was wir nicht vermögen. Möge das Leben in seiner Gegenwart geborgen sein. Wir wünschen Frau Beuster baldige Genesung und alles Gute für ihren Weg in diesem Jahr.
Zum anderen ist der heutige Sonntag der erste Sonntag in der Epiphaniaszeit. Am 6.Januar begehen Christen diesen Festtag und feiern die Erscheinung der Herrlichkeit Gottes in dieser Welt. Im Julianischen Kalender wurde an diesem Tag die Geburt Jesu Christi begangen. Die östlichen Kirchen, aber auch die Kirchen im Süden Europas haben diese Tradition beibehalten und sind jetzt in richtiger Weihnachtsstimmung. In der westlichen Tradition wird die Geschichte vom Besuch der Weisen aus dem Morgenland erzählt. Die Herrlichkeit Gottes – in der Dunkelheit der Zeit verborgen – wird sichtbar in der Geburt eines kleinen Kindes. Die Gegenwart des Göttlichen strahlt im Angesicht eines kleinen Kindes. Und es wird uns damit auch vor Augen geführt, wie unberechenbar, wie zerbrechlich das menschliche Leben ist. Das Weltgeschehen geht dahin, die Machtintrigen der Herrschenden greifen nach dem Leben und doch wird ein kleines Kind geboren, das uns die Gegenwart des Göttlichen in der Welt anzeigt. Wie wunderbar ist das, wie unglaublich.
Liebe Gemeinde, ich habe die letzten Tage immer wieder über diese Zerbrechlichkeit unseres Lebens nachgedacht. Wie schnell kann es geschehen, dass unsere Pläne, die Ideen unseres Lebens, die Vorhaben, die wir hatten, nicht mehr gelten, nicht mehr möglich sind, sich in eine ganz andere Richtung entwickeln. Die Weihnachtsgeschichte ist ein klassisches Beispiel dafür. Maria wird unverheiratet schwanger. Obwohl ihr Leben durch die Todesstrafe bedroht ist, erlebt sie einen Rettungsplan – Flucht in letzter Minute, ein Mann, der sich ihrer annimmt, der sie beschützt. Und dann immer wieder besondere Umstände, die letztendlich dazu führen, dass die Geschichte gut ausgeht. Als Maria aus Nazareth floh, haben die Menschen in ihrer Umgebung ihr sicher Mazel tow zugerufen und ihr alles Gute gewünscht, ohne das Ende des Weges zu kennen. Maria zeigt uns, dass die Zerbrechlichkeit unseres Lebens eine andere Ebene in uns zum Schwingen bringen will.
Erinnern wir uns an die Worte des Propheten Jeremia. Er zählt uns Attribute auf, die in unserer Welt wichtig sind und um deren willen Menschen sich rühmen: Weisheit, Stärke, Reichtum. Es sind vor allem äußere Aspekte des menschlichen Lebens, die in unserer Gesellschaft von großer Bedeutung sind. Doch sie sind aus der Sicht des Glaubens nicht wichtig. Es geht eher um die Verbundenheit mit dem Göttlichen. Da heißt es: „Gott spricht: Rühme dich, dass du mich kennst.“ Und Kennen meint nicht nur ein Wissen mit dem Verstand, sondern ein Kennen mit der Seele. Man könnte es vielleicht auch beschreiben mit: Ein Kennen aus dem Leben im Alltag. Ich weiß in jedem Augenblick, dass es Gott gibt, dass ich getragen bin, dass diese Gegenwart in jede Situation hineinreicht und sei sie noch so unberechenbar und noch so verstörend. Es gibt keinen gottlosen Augenblick. Es gibt keine Gottesferne in dieser Welt. Die Katastrophen dieser Zeit sind gekennzeichnet durch das Fehlen von Menschlichkeit, von menschlichem Verstehen und menschlicher Zuwendung. Doch die Geschichten lehren uns, dass in die Dunkelheit hinein, die Gegenwart des Göttlichen scheint. Sei es in die Dunkelheit der Nacht in Bethlehem, sei es in die Dunkelheit unserer Umstände, sei es in die Dunkelheit der Verworrenheit dieser Welt. Eines können wir uns gewisse sein: Die göttliche Gegenwart ist und bleibt.
Liebe Gemeinde, ich möchte sie noch auf ein Zeichen aufmerksam machen, von dem uns im Evangelium erzählt wurde. Jesus lässt sich taufen von Johannes. Er lässt sein bisheriges Leben zurück mit allen Wichtigkeiten und nimmt die Zerbrechlichkeit seines menschlichen Lebens an im vollen Vertrauen auf die Gegenwart des Göttlichen. Und so wird er auch das Beispiel für Menschen, die als Kinder Gottes leben wollen: Tief verbunden im Vertrauen auf Gott, in der Welt und doch nicht in ihr sich verlierend, für die Menschen da frei von Eitelkeit und Selbstbezogenheit. Die Taufe ist ein persönlicher Schritt, den Jesus gegangen ist und mit ihm jeder andere gehen kann, um sich dieser Gegenwart gewiss zu sein. Ein Zeichen setzen, damit wir uns klar machen können, ab jetzt wird etwas anderes tragend sein in meinem Leben.
Liebe Gemeinde, wenn wir am Anfang des Kalenderjahres stehen und uns fragen, wie dieses Jahr wohl werden wird, dann lassen sie uns daran erinnern, dass die Zerbrechlichkeit unseres Lebens getragen ist. Lassen sie uns die Geschichten bewegen, die uns von dem tiefen Vertrauen auf das Göttliche erzählen, lassen sie uns einander zuwenden, damit wir aus dieser Gegenwart heraus lernen, menschlich zu sein in der Welt. Weihnachten ist nicht vorbei, Epiphanias ist nicht vorbei. Das Göttliche ist und es erscheint immer wieder im Alltag unseres Lebens. Wir schreiben die Geschichten weiter. Wir erzählen neu, wie in der Dunkelheit von Krieg und Verzweiflung, von Krankheit und Not das Göttliche hineinscheint und wir Menschen sein können, egal was gerade geschieht. So wie das kleine Kind zur Botschaft für die Hirte wurde und sie voller Zuversicht ihren Weg weitergehen konnten, so lassen sie uns gewiss sein, dass in jedem menschlichen Leben diese Gegenwart des göttlichen aufleuchtet, die uns verwandeln kann und will, um Menschen zu werden. Vertrauen wir darauf, dass dies geschehen kann. Vertrauen wir darauf, dass wir nicht wissen, wie es gehen wird. Vertrauen wir darauf, dass wir geleitet werden.
Damit wir erfahren können, was der Vers aus dem Röm.8,14 in unserem leben meinen könnte: „Welche der Geist Gottes treibt, die sind Gottes Kinder.“
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unseren Herrn. Amen.