Friedensvisionen
Predigt vom 5.11.2023 gehalten in der Pauluskirche in Berlin-Zehlendorf
Gnade sei mit euch und Friede von dem, er da ist und der da war und der da kommt. Amen.
Liebe Gemeinde,
der heutige Sonntag steht im Zeichen des Friedens. In den 80iger Jahren haben Menschen angesichts der atomaren Bedrohung in Deutschland, in Europa und in der Welt die Initiative „Friedensdekade“ ins Leben gerufen. Zehn Tage für den Frieden beten, an ihn denken und über ihn sprechen und Wege des Handelns finden. „Schwerter zu Pflugscharen“ wurde der bekannte Slogan, der die Friedensbewegung prägte. Die Worte des Propheten Micha stehen in der Bibel und sind weiterhin eine Herausforderung geblieben. Leben wir doch in einer Zeit, in der Gewalt und Krieg wieder zu Mitteln der Auseinandersetzung in unserer direkten Umgebung geworden sind. Verstehen wir doch langsam immer besser, dass Frieden nicht das Schweigen von Waffen ist. Es ist viel mehr, umfasst das ganze Leben, durchdringt Körper, Seele und Geist des einzelnen und betrifft das Zusammenleben von Menschen.
Als ich Texte in der Bibel zu diesem Thema aufschlug, war ich sehr erstaunt, wie nahe sie unserem Erleben sind in der Beschreibung der Schrecken, aber auch in der Beschreibung von Hoffnungen und Handlungs-möglichkeiten. Mir wurde deutlich, dass die Bibel auch eine Sammlung von Worten darstellt, die reden können, wenn Menschen selbst keine Worte mehr haben, wenn ihre Visionen von der Zukunft und dem Frieden versiegt sind.
Wir Menschen in Deutschland leben in Verhältnissen, die nicht durch direkte Gewalt, Terror und Krieg aus dem Gleichgewicht geraten sind. Manche tragen Spuren anderer Gewalt in und an sich. Oder sie haben den Krieg in ihren Körperzellen geerbt. Trotzdem fällt es uns leichter, die Visionen von Frieden noch vor Augen zu haben. Wir können diese denken, bewegen und laut benennen. Und damit kommt uns eine wichtige Aufgabe zu in der Gemeinschaft der Menschen. Denn es gibt viele, die dazu nicht in der Lage sind, weil Trauer sie bindet, weil Hass ihren Blick trübt, weil Bomben ihr Leben bedrohen, weil Hunger und Gewalt ihren Alltag bestimmen. Es ist notwendig und wichtig, dass wir sie in unseren Gedanken an die Hand nehmen und ihnen Unterstützung sind auf dem Weg zum Frieden.
So habe ich in der Gemeinde und bei Freunden gefragt, welche Gedanken sie zum Frieden haben. Die Antworten, die ich bekommen habe, bilden einen bunten Strauß von Ideen. Ich danke allen für ihre Zeit, ihre Gedanken und ihr visionäres Mittun in dieser Welt.
Frieden ist nicht die Abwesenheit von Krieg.
Frieden ist eine Tugend, eine Geisteshaltung, eine Neigung zu Güte, Vertrauen, Gerechtigkeit. (Baruch Spinoza)
Suche den Frieden in dir, der aus der Seele selbst kommt, der Kern der inneren Stille, ein ruhiges Zentrum in sich selbst hält das Leben im Gleichgewicht.
Frieden ist ein innerer Zustand, den ich auch Gemütsruhe nenne. Tiefer Frieden kennt keine Ängste, schenkt ein Gefühl von Sicherheit. Im seelischen Frieden sind Herz und Verstand zufrieden, ruhig. Den Seelenfrieden kann uns niemand nehmen. Im Yoga sagen wir Seelenfrieden ist die Basis zum Glück. (Silvia R.)
If you want to awaken all of humanity, then awaken all of yourself. If you want to eliminate the suffering in the world, then eliminate all that is dark and negative in yourself. Truly, the greatest gift you have to give is that of your own transformation. (Lao Tzu, Hua Hu Ching)
Frieden beginnt mit der Akzeptanz der Unterschiedlichkeit und dem Respekt vor der Individualität jeder Person, insbesondere wenn es um unterschiedliche Meinungen und Glaubensrichtungen geht. Wenn wir Menschen davon ablassen könnten, unbedingt Recht haben zu wollen, d. h. davon auszugehen, dass nur unsere Meinungen, Ansichten, Gedanken und Glaubenssätze wahr sind, würde allgemeiner Frieden einkehren. Wenn wir aufhörten, für die Durchsetzung unserer Ansichten zu kämpfen, und stattdessen das individuelle Anderssein der anderen Person anerkennen könnten, würde Frieden einkehren. Anstatt uns über Kriegsparteien zu mokieren, können wir selbst im Alltag anstreben, Konflikte durch Dialog und Verhandlungen zu lösen, anstatt durch Gewalt und Unterdrückung. Wir können eine Veränderung bewirken, indem wir beständig an unserer Empathie, unserem Verständnis und unserer Kommunikation arbeiten, anstatt uns überlegen und als Sieger fühlen zu wollen. Wie Michael Jackson sang: „Start with the man in the mirror – and you will change the world!“. (Sabine W.)
Wenn wir unseren »Alltagswagen« einen Gang runterschalten und es wagen,
unsere Fahrt besonnener anzugehen, dann holt sich unser Atem allmählich den Frieden zurück.
Da vorne rechts tauchen letzte Krieger auf, mit Siegesliedern, die keiner mehr hören will. Die Melodien wirken ausgeleiert und kein neuer Aufbruch erwächst aus ihnen. Wir machen eine Pause am ruhigen Waldrand. Gedanken bewegen uns: Wir atmen den Ursprung durch und gehen zuversichtlich auf eine neue Friedensstille zu. (Dorothe Sölle)
Weil ich nicht das „ganz große Rad“ drehen kann, aber auch nicht in Angst und Bitterkeit erstarren möchte, setze ich nun bewusster als zuvor auf kleine Taten, die für friedliche Momente sorgen können. Immer unter dem Aspekt: Jetzt, für den Moment ist etwas mehr Licht in die Welt gebracht, und dann kommt der nächste Moment und ein nächster usw. Wenn ich z.B. einmal mehr Danke sage, eine Tür aufhalte, jemandem Vortritt lasse, lächle, und mein inneres Schimpfen durch freundliche Gedanken ersetze und anderen einen glücklichen Weg wünsche. eine Übung.
Gestern kam mir ein Text in den Sinn, den meine Mutter mir in mein Poesiealbum geschrieben hatte.
„Willst du glücklich sein im Leben, trage bei zu anderer Glück, denn die Freude, die wir geben, kehrt ins eigene Herz zurück. Nun ein wenig umformuliert: Willst du Frieden haben im Leben, trage bei zu anderer Glück, denn der Friede, den wir geben, kehrt ins eigene Herz zurück. (Karina J.)
Frieden funktioniert für mich nur in Verbindung mit Freiheit. Freiheit herrscht, da der Einzelne des Nächsten Grenzen respektvoll akzeptiert und wahrt. Frieden entsteht zunächst in mir und mit mir. Das „mit mir“ ist besonders wichtig und Teil des Friedens in der Freiheit des eigenen Seins, der Existenz auf allen Ebenen. Das geht dann, fast selbstverständlich, in mein Agieren in der Welt und mit der Welt über. (Dagmar S.)
Ich dachte Frieden ist die Abwesenheit von Krieg, doch das ist ja viel zu wenig. Frieden ist für mich eine innere Haltung, eine Geisteshaltung, ein Weg, dem ich mit Vertrauen folgen kann, der Demut, Dankbarkeit und Liebe beinhaltet. Ich wünsche mir eine friedliche Gesellschaft, eine friedliche Welt, in der es eine gleichwertige Berücksichtigung von Bedürfnissen gibt, wo Toleranz und Güte regieren. (Ulrike V.)
Frieden ist für mich der innere Zustand, der eintritt, wenn ich ehrlich aufgebe, Recht haben zu wollen. Wenn ich den göttlichen Funken akzeptiere, der allem innewohnt, verbunden mit der Gewissheit meiner menschlichen Unzulänglichkeit. (Ingrid M.)
Paulus sagt: „Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größte unter ihnen“, heißt es im Hohelied der Liebe (1 Kor 13,13).Darin liegt eine Logik der Entfeindung verborgen, die die Kraft gibt, trotz der größten Gräueltaten der jeweils anderen Seite der Versuchung zu widerstehen, das Gegenüber nur in der Logik des Feindes bzw. der Täter und nicht zugleich und immer wieder auch in der Logik des Mitmenschen, d.h. in der Perspektive der Leidenden, der Opfer und Traumatisierten zu sehen. Paulus widersteht der Versuchung, die Nächstenliebe zum Privateigentum und Merkmal nur einer Teilgruppe in Korinth zu machen, nur einer religiösen oder kulturellen Tradition allein. Er betont: Gott versöhnte in Christus die ganze Welt mit ihm selber „und rechnete ihnen ihre Sünden nicht zu und hat unter uns aufgerichtet das Wort von der Versöhnung.“ (2. Kor 5,19). In einer Zeit, in der polarisierend-ausgrenzende Botschaften und ideologische Scharfmacher das Klima zwischen Menschen, Religionen und Kulturen vergiften, bleibt die christliche Gemeinde nüchtern, wachsam und widerständig in dem festen Bewusstsein, dass das Gebot der Nächstenliebe allen Religionsgemeinschaften gemeinsam ist und dass die Haltung der Liebe ein Band der Einheit sein kann. (Dietrich W.)
„Frieden gabst Du schon, Friede muss noch werden, wie du ihn versprichst uns zum Wohl auf Erden. Hilf, dass wir ihn tun, wo wir ihn erspähen – die mit Tränen säen, werden in ihm ruhn.“ So lautet die dritte Strophe im Lied 170 im ev. Gesangbuch. Das ist das Größte, unfassbar, kaum zu glauben: Gott hat Frieden gemacht – ein für alle Mal. Alle unsere kleinen Schritte zum Frieden auf der Grundlage und vor dem Hintergrund, dass Gott selbst die Welt, mich… mit ihm befriedet hat. So ist Gott. (Karl-Christian K.)
Frieden geht Hand in Hand mit Freiheit, Ruhe, Liebe, Vergebung, Demut, Zuhören und Zulassen. In diesem Raum entsteht ein Mitschwingen mit der Stille, in der keine Bewertung und Zuschreibungen, aber auch keine Vorannahmen vorhanden sind, wo Einzelne und die Gemeinschaft ihr Sein gestalten in einer offenen Kommunikation. Wichtig ist es jedoch, sich auf die grundlegenden Gesetzmäßigkeiten der Welt einzulassen. Das Gesetz der Schöpfung und der Einheit, der Schwingung und Resonanz, das Gesetz des Rhythmus`, der Polarität und der Ursache und Wirkung. Das Mitschwingen mit ihnen lässt Frieden sein. (Marko F.)
Liebhaben von Mensch zu Mensch, das ist vielleicht das Schwerste, was uns gegeben ist. (Rainer Maria Rilke)
Möge der Friede bei uns in unserem Herzen beginnen und ausstrahlen. Mögen alle lebendigen Wesen in Frieden leben. Möge Mut und Hoffnung alle begleiten. Dies schenke uns Gott, die Quelle des Lebens, der Grund des Friedens.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unseren Herrn. Amen.