Predigten

2.Sonntag nach Trinitatis – Fest des Lebens

Predigt gehalten am 18.Juni 2023 in der Pauluskirche in Berlin-Zehlendorf zu Lukasevangelium 14,16-24

Gnade sei mit euch und Friede von dem, der da ist und der da war und der da kommt. Amen.

Liebe Gemeinde,

mit der Trinitatiszeit haben wir den Bereich im Kirchenjahr erreicht, in dem es um Fragen des Glaubens geht. Das werden jeden Sonntag andere sein. Heute führen uns die Lesungen in die Vorstellungswelt ein, dass alle Menschen bei Gott dazu gehören. Dieses Dazugehörigkeitsgefühl ist für uns Menschen jedoch nicht selbstverständlich. Und so ist es auch nicht selbstverständlich, dass Menschen sich in eine Gemeinschaft hineinbegeben und dort ein aktiver Teil sind. 

Psychologen betrachten das Leben eines Menschen von der Geburt bis zum Tod nach den äußeren, den biologischen Gegebenheiten und dessen Auswirkungen auf seine seelische Verfasstheit. Und so kann man aus dieser Blickrichtung die Geburt eines Menschen als die Trennung von dem 9 Monate lang vertrauten Menschen bezeichnen. Bei der Geburt wird das Kind eigenständig, aber es wird auch körperlich getrennt von der Mutter. Das ist eine tiefgreifende Irritation. Die vertraute Nähe ist weg und damit auch das Gefühl der Sicherheit. Gelingt es in den nächsten drei Jahren dem Kind nicht, ein grundlegendes Vertrauen in seine Umgebung und die Menschen, die für seine Versorgung da sind, zu finden, dann werden Gefühle des Verlassenseins, der Orientierungslosigkeit und eines mangelnden Vertrauens in das Leben bleiben. Wichtig ist diese Zeit, denn sie legt die Grundlage dafür, wie Menschen sich später auf die Gemeinschaft mit anderen einlassen können. Fällt es ihnen leicht eine Beziehung und damit eine vertrauensvolle Bindung zu anderen einzugehen oder nicht. Wir wissen heute viel über diese Zusammenhänge. Aber nicht immer ziehen wir die richtigen Schlüsse daraus. Nicht immer verstehen wir den einzelnen mit seiner Besonderheit und auch mit seinen Schwierigkeiten. Sich auf eine Gemeinschaft, eine Beziehung einzulassen ist eine große Kunst, zu der wir Menschen unterschiedliche Voraussetzungen haben.

Unsere Lesungen für den heutigen Sonntag malen uns aus, dass die göttliche Gegenwart so groß und umfassend ist, dass sie für jeden Menschen die Basis zu einer Gemeinschaft darstellen kann. Auf der Grundlage des Göttlichen kann es möglich, sein Vertrauen in das Leben zu finden, es wachsen zu lassen und eine Gemeinschaft des Lebens zu feiern. Doch unsere Lesungen machen deutlich, dass wir Menschen mit dieser Einladung sehr unterschiedlich umgehen. Ja, wir haben verschiedene Voraussetzungen. Und wir können uns auch unterschiedlich auf dieses Angebot einlassen, denn die Nähe einer Gemeinschaft ist für manche eben nicht nur ein Fest, sondern auch eine Herausforderung, sich auf etwas einzulassen, was ihnen weitgehend unbekannt ist. Wir sind alle eingeladen, doch bringen wir alle unsere eigenen Bedingungen aus unserer Kindheit mit, die es uns leichter oder schwerere machen. Klar ist dabei, dass diese Einladung eine grundlegende Sehnsucht in uns beschreibt, nämlich die Sehnsucht dazugehören zu wollen, vertraut zu sein, Anteil zu haben an etwas Größerem und Umfassenderen.

Liebe Gemeinde, wir haben heute einen Teil der Mitglieder des Gemeindebeirats begrüßt.  Menschen übernehmen Verantwortung in der Gemeinde und gestalten nach ihren Möglichkeiten mit, was uns allen gemeinsam am Herzen liegt. Sie lassen sich nach ihren Möglichkeiten auf dieses gemeinsame Gestalten ein. Dabei ist klar, dass es sich da möglicherweise weniger um ein Fest des Lebens handeln wird. Idee für eine Zukunft, die sich verändert, Gemeindeleben, das in neue Bahnen gebracht werden muss, eine Gemeinschaft, die immer kleiner wird. Es liegt an uns alle, wie wir diese Aufgaben angehen. Es kann eine Plage und eine Last sein, aber wir können uns auch entscheiden, nach unseren Möglichkeiten ein Fest daraus zu machen. Das Miteinandertun kann auch freudvoll, lebendig und lustig sein. Manchmal sind wir vielleicht zu verbissen bei den so wichtigen Dingen, die wir erledigen müssen. Manchmal sind wir zu streng mit uns selbst und anderen und vergessen, dass wir ja alle unsere Voraussetzungen haben, aus denen heraus wir handeln. Das gemeinsame Gestalten ist auch ein Experiment der gegenseitigen Achtsamkeit, jeden und jede nach seinen oder ihren Möglichkeiten sein zu lassen. Ich denke uns allen verbindet, dass wir an einer gemeinsamen Sache mittun. Doch die Art und Weise, wie wir es machen, ist möglicherweise sehr verschiedenen – mal näher mal ferner von der Gemeinschaft entfernt. Dazu wünsche ich uns allen ein wachsendes Verstehen und ein einfühlsam werdendes Handeln.

Liebe Gemeinde, ich möchte sie aber noch auf einen weiteren Aspekt hinweisen, der sich für mich aus diesen Lesungen ergibt. Die Menschen im 1.Jahrhundert nach der Zeitrechnung haben sich wirklich als erstes mit krassen Unterschieden in der Gesellschaft auseinandersetzen müssen. Die römische Gesellschaft wusste, welche Rechte Freie oder Sklaven, Frauen oder Männer, Juden und Menschen bestimmter Volksgruppen hatten. Und manchmal frage ich mich mit dem Blick in die heutige Zeit, an welchen Stellen sind wir heute noch sehr ähnlich. Können wir uns aus diesen Kategorien herausbewegen oder haben wir in der heutigen Zeit unsere eigenen Einordnungen, wo Flüchtlinge, Menschen mit wenig Geld, aber auch Menschen mit körperlicher Besonderheit oder Lebensweise unserem gesellschaftlichen Urteil ausgesetzt sind. Sind wir wirklich so offen und frei, wie wir immer meinen?

Das Versprechen des Paulus aus dem Galaterbrief Kap 3, 26-28 sehe ich immer noch als eine Vision vor uns. Da heißt es: Ihr seid alle durch den Glauben Gottes Kinder in Christus. Denn ihr alle, die ihr auf Christus getauft seid, habt Christus angezogen. Hier ist nicht Jude noch Grieche, hier ist nicht Sklave noch Freier, hier ist nicht Mann noch Frau; denn ihr seid allesamt einer in Christus.

Ja, diese Vision bleibt, aber ich würde sie gern im 21.Jahrundert ausweiten. Denn diese Zusage von Gott gilt, wenn ich sie von der Schöpfungsgeschichte her verstehe für alle Menschen. Die Taufe auf Jesus Christus ist ein Weg und möglicherweise für uns der wichtigste. Aber andere Menschen gehen in ihrem Glauben andere Wege und finden zu einem Grund, den sie möglicherweise ähnlich beschreiben wie wir oder auch anders.

Und wenn wir noch einen Schritt weitergehen, dann sollten wir im 21.Jh. auch lernen über den Menschen als Zentrum der Welt und als Mittelpunkt unseres Denkens hinauszugehen. Die Probleme unserer Zeit machen deutlich, dass wir lernen müssen, die Welt als ein Ganzes zu verstehen, in der Pflanzen, Tiere, jede Form des Lebens eben nach seiner Art geschaffen, eben auch seine Bedeutung und Wichtigkeit hat. Zum Fest des Lebens sind alle Wesen geladen. Alle gehören zusammen und sind notwendig. Auch in dieser Dimension ist zu beachten, dass jede und jeder seine oder ihre ganz besonderen Voraussetzungen mitbringt.

Liebe Gemeinde, wenn wir heute von einer Einladung Gottes sprechen, dann können wir sie immer mehr als allumfassend und weitreichend ansehen. Das Fest des Lebens ist keine Party von bestimmten Menschen. Das Fest des Lebens meint den ganzen Lebensraum, der uns gegeben ist mit seinen vielfältigen Formen. So ist es eine Herausforderung, unser Denken und Handeln immer wieder auf seinen einladenden Charakter zu überprüfen. Schließen wir mit unseren Worten, unsere Entscheidungen andere Menschen, andere Wesen mit ein? Haben wir das Wohl aller im Blick? Leben wir als Haushalter der Schöpfung im Kleinen wie im Großen?

Verantwortung zu übernehmen bedeutet eben auch, dass wir uns hineinbegeben in das Übungsfeld der Achtsamkeit für uns selbst, für unser direktes Umfeld und für diesen Planeten als Ganzen. Sicher wird es da auch Fehlentscheidungen geben. Aber Fehler sind ja dazu da, um aus ihnen zu lernen, sie zu korrigieren und es erneut zu probieren. Helfen wir uns gegenseitig, einen solchen verantwortungsvollen Weg zu gehen im Gemeindebeirat, aber auch in unserem Alltag. Helfen wir uns, dass wir Gemeinschaft leben können in der Art und Weise, wie es für uns möglich ist. Und wachsen wir über unsere Grenzen hinaus, denn das Fest des Lebens findet statt und wir entscheiden, ob wir dabei sind und in welcher Art und Weise.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unseren Herrn. Amen.