Predigten

Jubilate – Weg zur Freiheit

Predigt gehalten in der Pauluskirche Berlin-Zehlendorf am 21. April 2024 zu Apg. 17,22-31 und Mt. 5,43-48

Gnade sei mit euch und Friede von dem, der da ist und der da war und der da kommt. Amen.

Liebe Gemeinde,

mit dem Sonntag Jubilate befinden wir uns mitten in der Osterzeit und die Osterzeit ist eine Freudenzeit. Ausgelassen sein und froh sein, lauten Jubel erschallen lassen – das gehört zu Ostern. Denn es ist ja auch eine unglaubliche Nachricht, die wir da feiern. Das Grab war leer. Nur die Tücher lagen noch an dem Ort, an den sie Jesus gelegt hatten, als sie ihn tot glaubten. Der besondere Schabbat, an dem Jesus im Grab lag, und der während des Passahfestes lag, war vorüber. Damals waren die Jünger voller Trauer und das Passahfest, an dem die Geschichte erzählt wird, dass Gott sein Volk in die Freiheit führt, war mit einem dunklen Schleier bedeckt. Freude über dieses Fest der Freiheit wollte nicht aufkommen. Freude über Gottes Treue und seine befreiende Gegenwart konnten sie nicht sehen, denn war aus ihrer Sicht alles vorbei. Ihre Wünsche und Ideen für die Zukunft waren zerplatzt – vorbei. Die Römer hatten Jesus gekreuzigt und damit hatten sie ihre Macht bewiesen und gesichert. Das sie mit dem leeren Grab gerade eine andere Ebene dieser Treuebotschaft erlebten, konnten sie nicht wahrnehmen.  

Liebe Gemeinde, morgen am Montagabend beginnt das Passahfest in diesem Jahr mit dem Sederabend. In der Geschichte von Mose und dem Volg Israel mussten alle schnell Brot backen – die ungesäuerten Mazzen – ein Lamm wurde geschlachtet als Stärkung für den bevorstehenden Weg. Alle waren reisefertig – sie saßen sozusagen auf gepackten Koffern. Heute fragt bei dieser Feier der Jüngste in der Runde, warum man bittere Kräuter isst, warum der Apfel-Nuss-Brei bereitsteht? Warum Salzwasser? Es sind Speisen, die an die schwere Zeit, an die harte Arbeit in Ägypten, an den Schweiß und die Tränen erinnern. Alle sind an diesem Abend voller Erwartung auf den Weg in die Freiheit.

Die Jünger Jesu haben diesen Abend sicher auch mitgefeiert, jedoch in Trauer. Welcher Weg sollte sich ihnen zeigen? Wie sollte eine Freiheit aussehen, wenn es keinen eigenen Staat, keinen eigenen König, keine Selbstbestimmung geben wird? Eine Freiheit unter der Besatzungsmacht der Römer?

Sonntagmorgen – das Grab ist leer. Es ist etwas geschehen, das die Frauen verwundert. Die Jünger sind verwirrt und ungläubig. Und doch spürten alle, von denen wir in den Geschichten hören, hier ist etwas Ungewöhnliches passiert. Wurde ein geheimer Plan umgesetzt? Wer wusste bescheid und wer hat mitgeholfen? Und wie ist das möglich, dass Jesus am Kreuz gestorben ist und nun doch lebt? Spielte seine Verbundenheit zu Gott – seine Spiritualität, sein gelebter Glaube eine besondere Rolle?

Die Evangelien sind Glaubenserzählungen, die von dem Ereignis berichten. Historische Spuren sind übermalt mit Bildern der Deutung aus dem Glauben. Und dann müssen wir uns klar machen, dass sie nicht offen sprechen konnten, denn in Jerusalem durften sie sich nicht mehr aufhalten als die Evangelien geschrieben wurde. Als Juden wurden sie von den Römern vertrieben. Ihre Gemeinschaft war in Gefahr. Und als Christen, die die Gesellschaftsordnung der Römer anfragten, denen es nicht wichtig war, wieviel Geld ein Mensch hat, ob er Mann oder Frau ist, Grieche oder Jude, waren sie den Regierenden suspekt und bald schon Verfolgungen ausgesetzt.

Ein anschauliches Beispiel ist die Rede des Paulus auf dem Marktplatz in Athen. Er erklärt sehr anschaulich, dass Gott der Schöpfer der Welt ist und nicht wie die griechischen Götter in Statuen dargestellt werden kann; auch keine Opfer braucht, um zeitweilige Launen zu besänftigen. Gott ist als Schöpfer gleichzeitig ein Teil eines jeden Menschen, der durch Jesus eine Tür zum Glauben öffnet. Paulus deutete nun den Tod von Jesus im Zusammenhang mit einem Endzeitdenken und erfährt bei den Griechen ein großes Kopfschütteln. Athen bleibt für ihn eine Niederlage. Er kann die Menschen nicht begeistern für diesen anderen Glauben. Auf seiner nächsten Station in Korinth wird sich das ändern.

Liebe Gemeinde, die Zusammenhänge machen uns deutlich, dass die äußeren Umstände keinen Grund zur Freude gaben. Und doch wird Ostern die Kraft, die Menschen neue Weg gehen lässt. Es wird die Kraft für eine neue Zukunft und eine neue Gemeinschaft. Vom Passahfest her sehnten und vertrauten die Christen auf die Gegenwart Gottes, die sich in der Freiheit zeigt. Die gesellschaftlichen Verhältnisse waren so, wie sie waren. Aber jeder und jede einzelne Mensch kann für sich eine innere Freiheit suchen, finden und bestimmt leben. Freiheit bei Gott ist mehr als staatliche, gesellschaftliche Ordnungen. Freiheit bei Gott ist ein offenes Tor im inneren, das zu ungewohnten, neuen und anderen Gedanken und aus den Gedanken entstandene Taten führt.

Das leere Grab machte vielen nun deutlich, dass diese Freiheit bei Gott nicht mit dem Tod endet. Die Gegenwart Gottes, der der Schöpfer der Welt ist, reicht über den Tod hinaus und führt das Leben weiter. Es gibt keine Grenze und ohne Grenze auch keine Angst davor. Das gelobte Land ist ein Land frei von Angst in der Gegenwart Gottes.

Neue Gedanken wurden möglich. Das, was Jesus lehrte, wurde zum Impuls für die Gegenwart. Die Bergpredigt ist eine Sammlung von solchen Ideen, die in eine veränderte Zukunft weisen. Im Evangelium hörten wir von der Feindesliebe. Eine Idee, die den Menschen zu allen Zeiten unmöglich erschien. Stellt sie doch unser bisheriges Denken auf den Kopf. Verfeindete Partner sollen sich lieben? Die Römer die Besatzungsmacht sollen wir lieben? Die andere Wange hinhalten, wenn ich geschlagen werde?

Liebe Gemeinde, und hier wird nun deutlich, wie sehr die Idee von Freiheit mit ihren veränderten Gedanken in die Gegenwart reicht. Die Konflikte in Gaza, in der Ukraine, in Teilen Afrikas und an vielen Orten der Welt gehören zu unserem Alltag. Wir haben uns daran gewöhnt, die Welt einzuteilen – hier sind wir und da die anderen. Freunde – Feinde. Hier sind wir und da die Welt. Hier sind wir, die Frieden wollen, da die Unvernünftigen, die Streitenden, die Gewalttäter. Wir haben den Aspekt, den Paulus uns vom Schöpfergott her beschrieb, in dem alle zusammengehören, vergessen. Es gibt die Aufteilung in Freund und Feind nicht. Es gibt allein Menschen, die geliebt werden wollen und sich auf ihrem Weg durchs Leben in den Mustern von Gewalt und Krieg verstricken.  Wir sind eine Gemeinschaft und gehören zusammen. Beginnen wir neu zu denken in der Freiheit des leeren Grabes und legen wir unsere innere Kampfstrategie nieder. Beurteilungen und Besserwisserei halten uns fest im Alten. Sie richten unseren Blick in die Vergangenheit. Die Zukunft ist offen und sie ist neu.

Liebe Gemeinde, so wünsche ich uns, dass wir Jubilate feiern können, frei von Angst mit der Sehnsucht nach Freiheit für alle. Die Lösung der Probleme liegt in der Zukunft und im Neuen. Wenn wir uns vom Alten nicht lösen können, dann werden wir immer wieder die Vergangenheit wiederholen. So schenke uns Gott den Mut zur Zukunft, die Fantasie zur Liebe und Kraft zum ersten Schritt. Und mögen unsere Gedanken des Friedens gesegnet sein, damit sie allen Menschen zum Wohle gereiche.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus, unseren Herrn. Amen.