Predigten

Licht der göttlichen Gegenwart

Epiphaniaspredigt zu 2.Mo. 3,1-15 gehalten am 30.Januar 2022 in der Pauluskirche in Zehlendorf

Gnade sei mit euch und Friede von dem, der da ist und der da war und der da kommt. Amen.

Liebe Gemeinde,

heute ist der letzte Sonntag der Epiphaniaszeit. Nun endet die Weihnachtszeit wirklich. Es war die Zeit, in der wir uns über das Licht der Herrlichkeit Gottes, das in die Welt strahlt, Gedanken gemacht haben. Zu Weihnachten war es die Geschichte von dem kleinen Kind, das unter besonderen Umständen geboren wird. Gottes Gegenwart leuchtet in diesem kleinen Menschen und die Botschaft lautet: In jedem Menschen ist ein Strahl dieses göttlichen Lichts, jeder Mensch ist bei Gott wichtig und somit hat auch jeder Mensch eine Verbindung zum Göttlichen. Zu Weihnachten feiern wir, dass diese enge Verbindung gilt und wir uns dieser gewiss sein können. Epiphanias macht uns deutlich, dass dieses Licht göttlicher Gegenwart auch in vielen anderen kleinen und großen Momenten des Lebens gegenwärtig sein kann. So war es die Taufe, über die wir nachdachten, über lichtvolle Augenblick der Begegnungen zwischen uns Menschen, Momente der Gotteserkenntnis. Und immer wieder konnte uns deutlich werden, dass mit diesem Licht, mit dieser Erkenntnis auch ein neuer Aspekt unseres Lebens ausgeleuchtet wurde.

Die Weihnachtzeit geht nun zu Ende und manch einem scheint diese besondere Zeit schon in weiter Ferne zu liegen. Der Alltag ist mächtig und greift mit seinen Erfahrungen stark nach uns. Durch Krankheit und Hygieneeinschränkungen erleben wir gerade die Grenzen und die Enge unserer menschlichen Existenz. Gern würden wir über allem stehen und unberührbar sein, gern würden wir bestimmen, wie es morgen sein soll, gern würden wir sagen, dass jetzt alles vorbei ist und wir unbeschwert in den Skiurlaub fahren, Partys besuchen, einander umarmen, gedankenverloren und ziellos durch die Einkaufstempel der Stadt schlendern. Ja, wir hätten es so gern, dass alles so ist, wie wir es kennen und jede Veränderung nur ein Traum war. Leicht ist es da, anderen die Verantwortung zu zuschieben. Ja, irgendjemand wird das wohl so gewollt haben und uns allen etwas Böses antun wollen. Verschwörungserzählungen haben Hochkonjunktur. Ja auch die uralten Vorurteile tauchen wieder auf, dass es die Juden seien, die die Macht an sich reißen und natürlich Geld verdienen wollen. Transmenschen werden beschuldigt. Homosexuelle kommen wieder ins Gespräch. Politische Eliten stehen im Verdacht. Minderheiten kommen in Erklärungsnot, wenn sie sich nicht klar positionieren können oder wollen. Das Geschehen von Ansteckung und Erkrankung wird in den Zusammenhang von Schuld und Strafe gebracht. Und damit wird Krankheit in einen moralischen Zusammenhang eingebunden. Wer erkrankt, muss etwas falsch gemacht haben oder er muss einen Plan haben, um sich einen Vorteil zu verschaffen.

Liebe Gemeinde, wir sind Menschen, die mit einem wunderbaren Verstand begabt sind, der die tollsten Dinge und Zusammenhänge erdenken kann. Doch ist die Frage, in welche Richtung soll sich der Verstand ausdehnen? Wohin soll er seine Kreativität richten? Wie sind die Zusammenhänge zu verstehen, in denen wir leben? Gibt es eine große Richtung, in die das Leben geht? Gibt es einen Rahmen, in dem Gedanken nützlich und hilfreich sind und wo dann eben auch nicht? Können die Geschichten des Glaubens uns für unseren Alltag helfen?

Heute haben wir von Mose gehört. Er lebte in der Wüste Sinai, war geflohen aus Ägypten, hatte seine leibliche Familie, seine Herkunft, aber auch die Adoptivfamilie des Pharaos zurückgelassen. In der Wüste hatte er eine neue Heimat gefunden bei den Midianitern. Dort konnte er als Hirte seinen Lebensunterhalt verdienen. Die Tochter des Medianiterpriesters Jitro war seine Frau geworden und so schien alles in bester Ordnung. Doch eines Tages hatte er eine besondere Erscheinung. Mit seinem Herzen sah er einen Dornbusch leuchten, als würde dieser brennen und doch nicht verbrennen. Er hörte eine Stimme, die ihn rief, die ihn aufforderte und herausforderte. Die Stimme seines Herzens erklärte ihm: „Ich habe das Schreien meines Volkes Israel gehört, ich habe ihr Leid gesehen und es hat mich berührt, so dass ich gekommen bin, um sie aus Ägypten zu befreien. Und du Mose musst mir dabei helfen.“ Mose konnte diese Stimme einordnen, denn es war die Stimme des Göttlichen. Sicher war sie ihm nicht fremd, aber was er hörte, war eine unglaubliche Herausforderung. Er sollte nach Ägypten zurückgehen und diesen Auftrag von Gott erfüllen? Sein neues Leben sollte er aufgeben? Er sollte sich in die Gefahr der Begegnung mit dem Pharao begeben? Und wie sollt das alles überhaupt organisiert werden? So viele Menschen in die Freiheit führen?

Mose begegnet dem Göttlichen mit Demut. Er bringt verschiedene Einwände vor, warum er es nicht machen kann. Doch sein letzter Einwand führt dazu, dass Gott seinen Namen offenbart. „Sage den Israeliten, der „Ich bin, der ich bin“, der hat dich gesandt. Mose erfährt den Gottesnamen. Der Name ist Programm. Er spricht das aus, was in so vielen Geschichten in einzelnen Situationen verständlich oder widersprüchlich durchbuchstabiert wird. Gott ist in jedem Augenblick gegenwärtig. Sein Licht leuchtet immer und überall, auch wenn es in unserer Welt ganz dunkel scheint, wenn wir gar nichts wahrnehmen können. Gott ist da – beständig. Was aber auch noch deutlich wird, ist eine Ausrichtung, die diese Gegenwart hat. Das Göttliche, das Mose erlebt, lässt sich anrühren, es hört und sieht das Elend und lässt die Kraft zur Veränderung deutlich werden. Aber es ist nicht irgendeine Veränderung, sondern sie soll die Israeliten in die Freiheit führen, die hart arbeiten mussten in Ägypten und unterdrückt wurden. Es geht nicht um das Wohlbefinden einzelner, sondern es geht um einen größeren Zusammenhang. Der Mord in Ägypten und die Sklavenarbeit sollen ein Ende haben, was nicht mit Einschränkungen in der momentanen Situation verglichen werden kann.

Liebe Gemeinde, diese Geschichte beschreibt eine neue Ausrichtung, die hier geschieht. Wenn wir es in der Computersprache ausdrücken würden, dann könnte man sagen, hier wird ein neues Programm aufgespielt: Das Programm göttlicher Gegenwart im Menschen. Mose fühlt sich gerufen, er nimmt wahr, hört und sieht und ist in seinem Herzen berührt. Er weiß nicht, wie alles gehen wird, aber er macht sich auf den Weg und kann von diesem Auftrag nicht mehr lassen. Sicher wird es nicht einfach werden, denn es geht um viele Arbeiter des Pharaos, es ist eine Machtfrage und der Weg führt durch die Wüste und birgt viele Schwierigkeiten. Doch der Fortgang der Erzählung macht deutlich, dass er es schaffen wird.  Verhandlungen mit dem Pharao, Umweltkatastrophen in Ägypten, Versorgungsnot in der Wüste und ungeahnte Hindernisse. Immer hat Mose eine Lösung bereit, immer findet er einen Weg. Aber die Bibel erzählt uns davon nichts. Sie berichtet von Wundern, die Gott getan hat. Nicht Mose ist der Agierende, sondern Gott. Bis in die kleinsten Details hinein wird die Demut Moses in die Geschichten eingewoben. Selbst als sie am Ziel ankommen, bleibt Mose auf dem Berg Nebo jenseits des Jordan. Er schaut in das gelobte Land, geht aber selber nicht hinein. Und so ist die Geschichte des Moses auf dem Weg mit dem Volk Israel letztendlich eine Geschichte, die etwas über die göttliche Gegenwart erzählt; von der liebevollen Fürsorge, den unglaublichen Möglichkeiten und dem unerschütterlichen Willen zur Freiheit. Menschen gehen mit dem „Ich bin, der ich bin“ in Richtung Freiheit und entdecken das Leben in ganz neuen Dimensionen und Möglichkeiten in jedem Augenblick und immer wieder neu.  

Liebe Gemeinde, dieses Programm der göttlichen Gegenwart ist für jeden und jede von uns eine Möglichkeit. Wir dürfen uns rufen lassen, wir dürfen hören und sehen, wir dürfen uns anrühren lassen in unserem Inneren und wir dürfen den Weg in die Freiheit wagen. Man könnte auch sagen: Es ist ein Schritt in die Verantwortung und das Erwachsenwerden, ein Schritt, der andere mitnimmt und ebenfalls ermächtigt ihren Platz und ihre Verantwortung zu finden. Es ist ein Schritt voller Demut im Blick auf das Göttliche, denn nichts ist klar. Der Weg wird gefunden, wenn Mensch ihn geht. Gott wird lebendig, wenn er sein darf in unseren Entscheidungen. Alles ist ein beständiges Werden und Vergehen. Nichts bleibt so wie es ist. Der „Ich bin, der ich bin“ ist jeden Augenblick neu.

Lassen sie uns diese Ausrichtung für uns heute ausprobieren. Nichts wird wieder so werden, wie es einmal war. Es gibt kein vor der Pandemie. Wir können nur weitergehen und den Weg finden, der uns verantwortbar erscheint in Demut und im Vertrauen auf das Göttliche. Das Licht, das uns Epiphanias deutlich wurde, wird uns begleiten uns die Gewissheit geben, dass wir das Ziel nicht aus den Augen verloren haben.  Gehen wir weiter, auch wenn es manchmal dunkel erscheint, stellen wir uns der nächsten Herausforderung in unserem Alltag, auch wenn wir nicht wissen, was wir mit ihr machen werden.

Gott schenke uns den Mut zum Wahrnehmen, den Mut zur Barmherzigkeit, den Mut zum Losgehen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unseren Herrn. Amen.