Der Name – Gottes Siegel
Predigt gehalten am 27.Juli 2025 in der Alten Dorfkirche in Berlin-Zehlendorf zu den Texten 1.Jes. 43, 1-3 und Mt. 28, 16-20
Gnade sei mit euch und Friede von dem, der da ist und der da war und der da kommt. Amen.
Liebe Gemeinde,
der 6. Sonntag der Trinitatiszeit ist dem Gedenken der Taufe gewidmet. Menschen erinnern sich daran, dass sie einmal selbst oder ihre Eltern stellvertretend für sie das Ja Gottes zu ihrem Leben und zu ihrem Dasein erwidert haben. Es ist ein Ja zur Zugehörigkeit zu Gott. Das Ja, das Gott in unserem Erschaffensein gegeben hat, ist unabhängig von allen äußeren Bedingungen und Leistungen, die in der Welt Menschsein ausmacht. Es steht am Anfang, vor allem anderen. Der Psalm 139 ist ein wunderbares Lied, das diese Grundlage beschreibt. Auch die Lesung, die wir aus dem Propheten Jesaja hörten, malt ein tiefgreifendes Bild von dem Verhältnis Gottes zum Menschen. Jakob / Israel kann sich auf Gottes Beständigkeit im Wandel der Zeit, auf seine unterstützende Gegenwart in aller Bedrohung verlassen. Das Göttliche hat Jakobs Namen genannt, er kann ihn rufen, er kennt seine Herkunft, seine Geschichte. Aus „Jakob“, was „Gott beschützt“ bedeutet, wird in der Geschichte im 1. Mose 32 – Jakobs Kampf am Jabokk – „Israel“, was „er kämpft mit Gott“ bedeutet. Der Name und die Veränderung des Namens zeigen in der hebräischen Bibel ein ganzes Programm, eine Geschichte und beschreiben das Verhältnis Gottes zu diesem Menschen. Kein eindeutiges gradliniges Verhältnis, sondern eine lebendige Beziehung mit Höhen und Tiefen.
Anderseits hat Gott seinen Namen dem Mose am Dornbusch offenbart. Im 2. Buch Mose können wir im 3. Kapitel lesen: „Sage den Israeliten der „Ich bin, der ich bin“ hat dich gesandt.“ Gott offenbart seinen Namen und ist damit ansprechbar. Das Göttliche ist ein ansprechbares Gegenüber, das wahrnimmt – hört, sieht und fühlt – und doch keine menschliche Gestalt hat. Es ist konkret in jedem Augenblick und doch immer wieder neu im nächsten. So wird der Name Gottes in der hebräischen Bibel zu einer bleibenden Herausforderung und zu einer offenen Beschreibung des Prozesses mit den Menschen.
In der christlichen Tradition ist dieser offene Prozess des Göttlichen mit dem Menschen in der Beschreibung der Trinität aufgenommen. Das Göttliche hat eine konkreten Erfahrungsrahmen in der Schöpfung, im Wandel der Natur; (aber auch) im Menschsein Jesu, des Rabbiners aus Nazareth; (und) im Auf und Ab des Lebens mit seinen gottnahen und gottfernen Momenten. Jedoch ist dieser Erfahrungsrahmen nie Gott selbst. Das Göttliche bleibt immer dahinter verborgen. Kurz sagen die Christen dann: Gott Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Im Evangelium hörten wir vom Missionsbefehl an die Apostel Jesu. „Tauft alle Völker auf den Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehrt sie halten alles, was ich euch befohlen habe.“ (Mt.28) Die Taufe auf den dreieinigen Gott ist das Hineinnehmen in den offenen Prozess des Göttlichen mit den Menschen. Gern würden wir ja beschreiben, wo es im Leben eines einzelnen Menschen hingeht, jedoch müssen wir uns bewusst machen, dass es nicht in unseren Möglichkeiten liegt. Wir können einem Menschen „alles, was ich euch befohlen habe“ in die Hand geben, aber was dieser Menschen daraus macht, liegt im Segen Gottes. In der Bergpredigt hat der Schreiber des Matthäusevangeliums die Lehren Jesu kurz und anschaulich zusammengefasst. Da geht es um Nächsten- und um Feindesliebe, um den Schutz des Lebens, um Beten und Fasten und es wird die goldene Regel beschrieben: „Alles, was ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, das tut ihnen auch.“ (Mt. 7,12a) In wenigen Kapiteln sind die Grundlagen christlichen Handelns zusammengefasst. Diese geben wir dem Täufling mit auf den Weg und vertrauen auf die begleitende Gegenwart Gottes.
Liebe Gemeinde, bei der Taufe gibt es aber noch einen Aspekt, auf den ich sie hinweisen möchte. Es heißt beim Taufakt: „NN ich taufe dich auf den Namen ….“. Der Name des Täuflings wird genannte. Der Name, den meist die Eltern ausgesucht haben, wird zu einem Namen, der mit dem Göttlichen in Verbindung gebracht wird. Bei dem Namen und seiner Bedeutung geht es nicht nur darum, dass er schön klingt, modern und außergewöhnlich ist, sondern er hat eine Bedeutung für den Menschen selbst. Vielleicht kennen sie ja die Bedeutung ihres Namens. Mein Name „Holger“ kommt aus dem Germanischen und bedeutet „Speer“, aber auch „Vorhut“.
Diese Bedeutung geht bei jedem Menschen ein in eine Geschichte mit dem Göttlichen. Es wird eine Geschichte der direkten Anrede, des Klagens, Bittens und der Freude. Aber auch eine Geschichte der Suche und der Entwicklung. Der Name wird wie eine Überschrift immer dabei sein. Und so umfasst der Name auch mehr als nur das im Moment sichtbare Wesen. Er beschreibt Geschichte, Kultur, öffnet Türen oder schließt sie, stiftet Gemeinschaft oder schließt aus. Es macht bei der Jobsuche einen Unterschied, ob ich Ali oder Manfred heiße, Aische oder Petra. Die Bibel legt sehr viel Wert auf den Namen, denn in ihm ist alles zusammengefasst, was einen Menschen ausmacht. Wir können es uns deutlich machen an Beispielen, bei denen Menschen Veränderungen an ihrem Namen erleben mussten. Da gibt es Spitznamen, die allein dazu erfunden und benutzt werden, um einen Menschen zu beleidigen. Juden mussten ab 1935 zu ihrem Namen den Zusatz Sarah oder Israel setzen, damit sie sofort als Juden im Namen erkenntlich waren. In den Lagern wurde den Menschen der Name genommen und sie bekamen eine Nummer. An diesen Beispielen merken wir, dass der Name mehr als nur die Möglichkeit der Ansprach enthält. In ihm ist der Wert eines Menschen gefasst. Darum ist auch in den 10 Geboten der Missbrauch des Namens extra genannte. „Du sollst den Namen Gottes nicht missbrauchen.“ Wenn die Bibel in den 10 Geboten auf Gott verweist, dann tut sie es, weil es für alle Menschen eine wichtige und unverzichtbare Regel ist. Sie wird bei Gott festgemacht und zeigt damit den außergewöhnlichen Stellenwert.
Heute sprechen wir, wenn wir den unverlierbaren Wert eines jeden Menschen beschreiben wollen, von seiner Würde. Diese gilt es zu respektieren und zu schützen. Darum ist es auch nicht verwunderlich, dass im Grundgesetz Artikel 1 die Würde des Menschen als erstes genannt wird. Sie ist unantastbar und unabhängig von den Kategorien, die in unserer Gesellschaft oft so wichtig erscheinen. Als glaubender Menschen würde ich sagen: Ja, wie bei Gott. Das spielt bei ihm keine Rolle. Darum ist es auch ein schönes Zeichen, dass wir Kinder taufen. Denn bei Gott gilt der Mensch in seinem Menschsein unabhängig von den äußeren Zuschreibungen.
Liebe Gemeinde, damit wird deutlich, dass die Taufe zwar eine Aufnahme in die christliche Gemeinschaft ist, darüber hinaus aber auch ein Akt, in dem die Menschenwürde herausgestellt und gefeiert wird. Wenn wir Menschen taufen, dann werden wir gleichzeitig gefragt, wie halten wir es mit den Menschenrechten? Gelten sie für alle Menschen? Oder gibt es da Ausnahmen? Gelten bei manchen Menschengruppen doch eher die Zuschreibungen, die wir für sie vorgesehen haben oder haben wir es schon gelernt, aus der Perspektive Gottes zu schauen?
Die Würde des Menschen ist unantastbar ist ein großer Satz. Aber er wird auch unglaublich häufig gebrochen. Denn wir haben uns an Entwürdigungen gewöhnt. Ja, wir haben sie in unserem System des Zusammenlebens an manchen Stellen sogar zur Regel gemacht. Oder wir nehmen die Entwürdigung anderer Menschen hin, da wir uns selbst und unseren Wohlstand meinen, schützen zu müsse.
Als Christen und Christinnen stehen wir in einer sehr alten und verantwortungsvollen Tradition. Wir müssen uns fragen lassen, sind wir bereit, diese in ihrer Vielgestaltigkeit und Tiefe zu erforschen und zu verstehen? Und sind wir auch bereit, unser Leben aus ihr zu gestalten zum Wohle aller Menschen, wie wir es in der Taufe bekannt haben?
Gott möge uns erfüllen mit Mut und Zuversicht. Er möge uns Erkenntnis und Mut zum Handeln schenken. Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unseren Herrn. Amen.